Man kann von Glück reden, dass Walter Rau gemeinsam mit seinem Schwager auf die traditionsreiche Heil- und Duftpflanze des Speick gestoßen ist und sie zum Star seiner Seifen gemacht hat – sonst würden wir heute wohl kaum in den Genuss des umfangreichen und vielseitigen Speick-Sortiments kommen. Ich habe die Speick-Pflanze und ihre Geschichte etwas genauer unter die Lupe genommen und zeige euch heute, mit welchen Eigenschaften sich der Speick beschreiben lässt:
Unscheinbar
Wenn wir an Heil- und Duftpflanzen denken, kommen uns vielleicht leuchtende Lavendelfelder in der Provence, üppige Rosenstauden oder stattliche Zedern in den Sinn. Eine kleine, unscheinbare Pflanze wie der Speick ist sicher nicht unsere erste Assoziation. Der Speick ist optisch unspektakulär und beinahe zu übersehen: lediglich 5 bis 15 cm wächst er in die Höhe und fällt mit seinen glatten Blättern und seinen zurückhaltenden, blass-gelben bzw. weißlichen Blüten kaum auf. Auch Wildtiere scheinen am Speick kein besonderes Interesse zu haben.
Verwandt und verschwägert
Botanisch gesehen gehört der Speick – valeriana celtica – zu den Baldriangewächsen und teilt sich damit die Pflanzenfamilie mit Vertretern wie eben dem Echten Baldrian, aber bspw. auch mit der Narde (nardostachys jatamansi), die in Indien beheimatet ist. Bis der Arzt Dioskorides dem Speick erstmals den Namen nardus celtica gegeben hat, mit dem er von anderen Baldrianarten zu unterscheiden war, konnte sich hinter dem Namen Speick so ziemlich alles verbergen. Spicus, Spica, nardus, … bei all diesen Bezeichnungen ist nicht eindeutig zu ermitteln, ob es sich um den uns vertrauten Speick, um eine andere Baldrian-Art oder den duften Speicklavendel handelt. Das gilt auch für biblische Bezüge, in denen von der Verwendung von Narde zur Salbung von Jesus durch Maria Magdalena die Rede ist: Indische Narde oder Echter Speick? Wir werden es vermutlich nie genau erfahren.
Fakt ist: der Echte Speick hat seine Wurzeln bzw. seine Heimat in den Alpen. Im Alpenraum sind jedoch bspw. auch Blauer Speick (Klebrige Primel), Gelber Speick (Grafenblume) oder Weißer Speick (eine Schafgarben-Art) bekannt. Sie alle meinen jedoch nicht den Echten Speick, der in den Speick-Produkten steckt.
Aromatisch
Alljährlich heißt es vor Mariä Himmelfahrt: Warten auf den Speick! Geerntet werden die Pflanzen in einem engen Zeitfenster zwischen Mitte August und Mitte September, wenn die kleinen Blätter bereits eine gelbliche Färbung zeigen. Dann verströmen die Pflanzen charakteristischen, warm-würzigen Speick-Duft. Später wird aus den getrockneten Pflanzen der aromatische Speick-Extrakt gewonnen, den wir in den Speick-Produkten finden.
Widerstandsfähig
Der Speick wächst in den Kärtner Bergen in der Region der Nockberge oberhalb der Baumgrenze auf einer Höhe ab ca. 1800 Meter. Dort ist er dem rauen Bergklima ausgesetzt und trotzt mühelos Temperaturschwankungen, Wind, Regen und Schnee. Was der Speick jedoch in jedem Fall braucht, ist ein kalkarmer Boden. Das ist vermutlich der Grund dafür, warum er in den südlichen Alpen nicht zu finden ist. Auf Kalkgestein wächst dafür ein Verwandter des Speicks: der sog. Felsen-Baldrian, valeriana saxatilis.
Nah und fern begehrt
Wer meint, dass der Speick nur in Kärnten oder der Steiermark über Jahrhunderte hinweg beliebt war, der irrt. Der Speick war so ein begehrtes und wertvolles Handelsgut, dass die Stadt Judenburg in den Ostalpen sich 1460 sogar zeitweilig das alleinige Handelsrecht an der Pflanze sicherte. Von diesem Handelsmonopol aus fanden die getrockneten Pflanzen über große Handelsplätze wie Venedig ihren Weg bis in den Orient – und das tonnenweise.
Vielseitig eingesetzt
Doch wozu wurde die Speick-Pflanze überhaupt so umfangreich genutzt? In Arzneibüchern vom Altertum bis zum Mittelalter ist der Speick als Heilmittel zu finden, bspw. als Bestandteil des berühmten Theriak, einem mittelalterlichen Universal-Heilmittel. Auch zum Aromatisieren von magenstärkenden Weinen (bspw. zusammen mit Gewürzen wie Muskat, Kardamom und Pfeffer) oder als Zusatz für leberentlastende Essige wird er erwähnt. Darüber hinaus diente er auch als Schutzpflanze und wurde daher bspw. in den Rauhnächten als Räucherwerk verwendet. Als Badezusatz war er vor allem in fernen Ländern beliebt – selbst Kleopatra soll ihn zu diesem Zweck geschätzt haben. Als Seifenzusatz war der Speick in früheren Jahrhunderten ebenfalls bereits bekannt.
Ausgebeutet und geschützt
Der jahrhundertelange „Speick-Hype“ hat dazu beführt, dass die natürlichen Speick-Bestände bis ins 20. Jahrhundert hinein stark zurückgegangen sind. 1936 wurde der Speick glücklicherweise unter Naturschutz gestellt und heute besitzt Speick Naturkosmetik eine Sondergenehmigung für die kontrolliert biologische Wildsammlung in den Nockbergen. Dabei wird der Speick von den Almbauern per Hand schonend geerntet, so dass der Wuchs der Pflanzen angeregt wird. Auf diese Weise bleibt der Speick uns hoffentlich auch noch in den nächsten Jahrhunderten erhalten.
Eure Ida